Zusammen –
Wachsen

10 Jahre Kulturstandort Depot
Als im Juni 2012 der letzte Vorhang im Schauspiel am Offenbachplatz fiel, hieß es eine temporäre Unterkunft für Künstler*innen und Mitarbeiter*innen zu finden. 2015 dann die Nachricht: Die Bauarbeiten in der Innenstadt verzögern sich, Umzug ausgeschlossen – aus einer Unterkunft auf einem Industriegelände wurde eine temporäre Heimat im rechtsrheinischen Veedel Köln Mülheim. Wo früher Last- wägen Drahtrollen weggeschafft haben, brachten sie nun Farbeimer, Molton und Kulissen in die kalten Werkhallen auf dem Schanzengelände. Welches Theater kann von sich behaupten, seinen Aufführungsort selbst gebaut zu haben? Seine Identität von der Tradition eines Theaterbaus gelöst und neu definiert zu haben − und dabei einen ganzen Stadtteil daran partizipieren lässt? Das Schauspiel Köln ist an den Herausforderungen eines 10-jährigen Interims gewachsen und dabei mit dem Stadtteil Mülheim und seinen Menschen zusammengewachsen. Und die Menschen mit mit ihm – mit uns. Hier kommen sie zu Wort.

Eines vorweg: Viele sind sich einig, dass dies ein Ort des Aufbruchs war, ist und ein solcher bleiben soll. Ein Kulturstandort für Mülheim, für die Menschen, die hier wohnen und für die Vielfalt Kölns.

Von einer Industriehalle zum Theater

»IN DIESEN HALLEN KANN KULTUR STATTFINDEN, DAS GILT NICHT NUR FÜR THEATER, SONDERN FÜR VIELE ANDERE KUNSTFORMEN AUCH!«
Stefan Bachmann
Sebastian Jansen, Geschäftsführer BEOS • Stefan Bachmann, Intendant • Cordula Körber, Architektin • Andreas Fischer, Projektleiter Wiedereinzug Offenbachplatz & ehem. Technischer Direktor
Sebastian Bolz, Technischer Leiter seit 2016
»Als wir 2012 zum ersten Mal das Depot im Carlswerk besichtigten, war die Industrieproduktion der Drahtwerke noch in den letzten Zügen. Im heutigen Theatergebäude, das damals die Kommissionierungshalle der Drahtwerke Felten & Guilleaume war, gab es auf über 70 Metern Länge keine einzige Trennwand. Um die Spielstätte nutzbar zu machen und zwei gleichzeitig bespielbare Theaterräume errichten zu können, mussten diverse Bau- und Brandschutzmaßnahmen vorgenommen werden. Dazu gehörte z. B. der Einbau einer flächendecken- den Sprinkleranlage. Im Unterschied zu den oft denkmalgeschützten Stadttheatern, haben wir das Haus Stück für Stück ertüchtigt und konnten und können es nach unseren Vorstellungen gestalten. Das ist schon sehr besonders! Dazu gehört auch das Portal, das den Blick auf die Bühne des Depot 1 rahmt. Mit seinem Format von 23 m x 7 m ist es ungewöhnlich für ein Theater und entspricht eher den 16:9-Formaten aus Filmen oder Serien. Dies macht das visuelle Erlebnis für unser Publikum einzigartig.
Die Möglichkeiten unserer verwandelten Industriehalle erlauben es uns, immer wieder Bühnenbilder umzusetzen, die woanders nicht möglich wären. Dazu gehören neben einem 30 m x 15 m großen Wasserbecken für die Produktion TYLL, auch die wiederkehrend eingesetzten, voll funktionsfähigen Fahrzeuge – zum Beispiel ein riesiger Bus, ein französischer Lastenwagen oder die sehr beliebte Ape –, die auf dem ebenen Boden direkt auf die Theaterbühne fahren können.
Für die Zukunft des Depots wünsche ich mir, dass die Erschaffung dieses besonderen, so vielseitig nutzbaren Ortes und der unermüdliche Einsatz unserer Mitarbeitenden auch stadtpolitisch Anerkennung findet, indem der Standort für Kultur langfristig erhalten bleibt.«
»Das Schauspiel ist für Mülheim ein Segen, und Mülheim ist für das Schauspiel ein Segen.«
Norbert Fuchs

Neues künstlerisches Potential

»Von diesem Ort geht eine große transformative Kraft aus«
Nuran David Calis
»Als ich das Depot 2012 das erste Mal gesehen habe, war es eine riesige, nackte, kalte Industriehalle auf einem mehr oder weniger verlassenen Gelände auf der rechten Rheinseite. Zehn Jahre später ist daraus ein wunderbarer ›Dritter Ort‹ für Mülheim geworden. Und darüber hinaus ist ein international geliebter und renommierter Ort für den zeitgenössischen Tanz in Köln entstanden. Schon im ersten Jahr waren Kompanien aus Großbritannien, Südafrika, Spanien und Belgien zu Gast. Auch ihre Begeisterung für die große offene Bühne mit ihrem Industriecharakter und dem CARLsGARTEN hat uns ermutigt, jedes Jahr in die Technik und Infrastruktur zu investieren. Der Zuschauerraum wurde angepasst, so dass man von jedem Platz eine gute Sicht auf die Bühne hat. Der Stahlboden wurde mit einem Holzboden versehen und ein zusätzlicher Schwingboden angeschafft, der für die tänzerischen Hochleistungen unverzichtbar ist. Die Technik wurde mit Zügen ausgestattet, die es ermöglichen, auch Kompanien mit anspruchsvollen Bühnenbildern und Lichtkonzepten zu präsentieren, und die Anfragen nach Koproduktionen und Residenzen an diesem Ort sind groß. Für den internationalen Tanz in Köln ist dieser Ort unverzichtbar und hat eine Strahlkraft, die Publikum aus ganz Nordrhein-Westfalen anzieht.«
Hanna Koller, Kuratorin Tanz Köln seit 2009
Norbert Fuchs, Bezirkbürgermeister Mülheim • Nicola Gründel, Ensemblemitglied • Jens Lorenzen, ehem. Technischer Leiter • Thomas Laue, ehem. Chefdramaturg
»DIESER KALTE, INDUSTRIELLE RAUM HAT GANZ ANDERE MÖGLICHKEITEN VON BÜHNE UND SPIEL ERÖFFNET.«
Nicola Gründel
»2014 realisierte ich am Schauspiel Köln mit DIE LÜCKE mein erstes Projekt über die Ereignisse rund um den ›NSU Nagelbomben-Anschlag‹ im Jahr 2004 auf der Keupstraße. Alle meine Projekte haben mit dem Ort zu tun – von diesem Ort geht eine große transformative Kraft aus – er befindet sich im Wandel, hin zu einem Ort, der über sich hinaus wächst und für mich etwas wie das Spiegelbild unserer Gesellschaft ist.
Die stärkste Erinnerung verbinde ich mit dem BIRLIKTE Festival 2014 und dem Gefühl, dass nach dem Anschlag und der Selbst-Enttarnung des NSU dieser lange stigmatisierte Ort wieder anfängt zu leben: Es waren knapp 70.000 Menschen da, für mich fühlte es sich nach Millionen an – als würde eine Gesellschaft sichtbar, von der ich immer gespürt habe, dass es sie gibt.
Ich wünsche mir, dass das Gelände hier erhalten bleibt als das, was es ist: Ein Ort der Veränderungen, des Neuen, des Befragens der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft durch Künstler*innen und ihren verschiedenen Ansätzen, in denen sich verschiedene Positionen nicht antagonistisch, sondern solidarisch gegenüber stehen.«
Nuran David Calis, Regisseur & Aktivist
Theater kann so viel mehr sein, ALS NUR EINE REPERTOIREVORSTELLUNG AM ABEND.«
JENS LORENZEN

Das Theater wächst

»DER CARLsGARTEN ALS OASE IN MÜLHEIM.«
Horst Sülzen
»MÜLHEIM IST SICHER AKTUELL DER SPANNENDSTE KÖLNER STADTTEIL, WEIL DORT VERGANGENHEIT UND ZUKUNFT AUFEINANDERTREFFEN UND STADTGESCHICHTE GESCHRIEBEN WIRD.«
Gitti Feierabend
Horst Sülzen, Leiter der Requisite von 1986-2013
»Im Herbst 2012 traf ich Melanie und Michaela Kretschmann in der Kantine der EXPO, der damaligen Ausweichspielstätte des Schauspiels und wir sprachen über die Idee eines Gartens auf dem Carlswerk-Gelände. Schon im Mai 2013 kamen die Initiatoren der Prinzessinnengärten Berlin, um uns in die Prinzipien des Urban Gardenings einzuführen. Mit vielen Helfer*innen wurden in wenigen Wochen Hochbeete, Pflanzsäcke und viele Obst- und Gemüsepflanzen angelegt.
Da ich im September 2013 in Altersteilzeit ging, hatte ich mehr Zeit für die Gartenarbeit. In der spielfreien Zeit kümmerte ich mich also um die Bewässerung und die anfallenden Arbeiten. Schon in dieser Zeit kamen Leute aus der Nachbarschaft, um zu helfen oder einfach nur ein bisschen zu quatschen. Der entstehende Garten hatte Neugier geweckt. Der erste Schritt war gemacht. Der Garten wuchs und wurde stetig erweitert. Bei meinen späteren Besuchen konnte ich nur staunen, was aus der alten Brache geworden war. Viele Menschen hatten daran mitgearbeitet und der Garten war zu einem Ort der Begegnung und des Austausches geworden.
Ich würde mir wünschen, dass der CARLsGARTEN als Oase in Mülheim erhalten bleibt und alle Menschen, die an ihm mitgearbeitet haben und auch die, die neu dazukommen einen Ort des Zusammenseins genießen − auf ein Bier, ein Glas Wein oder einen türkischen Tee.«
»ES GIBT VIELE KOMMUNEN, DIE TOTAL HAPPY WÄREN, EINEN ORT GESCHAFFEN ZU HABEN, WIE DAS HIER GELUNGEN IST.«
Sebastian Jansen
»Also, ich bin ein totaler Theaterfan. Als ich zum ersten Mal zum Schanzengelände fuhr, war ich sehr neugierig, weil ich Aufführungen in Industriestandorten immer besonders spannend finde. Das Depot hat auf mich sofort inspirierend gewirkt. Im vergangenen Jahrzehnt hat es dort viele herausragende Aufführungen gegeben. GENESIS von Stefan Bachmann war sicher eine der beeindruckendsten: Ein 45 Tonnen schwerer Berg aus Lehm war die Bühne, auf dem das erste Buch der Bibel erzählt wurde. Großartiges Theater in einer Umgebung, die in einem ›normalen‹ Schauspielhaus so nicht inszeniert werden könnte. Oder der CARLsGARTEN!
Mülheim ist sicher aktuell der spannendste Kölner Stadtteil, weil dort Vergangenheit und Zukunft aufeinandertreffen und Stadtgeschichte geschrieben wird. Für das Theater, aber auch für die ganze Stadt, sind diese Bedingungen einzigartig und eine großartige Chance. Nicht nur, weil aus Industriehallen Theaterbühnen werden. Sondern weil Schauspiel Berührung und Auseinandersetzung bedeutet. Im Depot war es von Anfang an diese besondere Atmosphäre, die aus Aufführungen Ereignisse gemacht hat.
Ich bin sicherlich befangen, aber meiner Meinung nach kann eine Stadt wie Köln gar nicht genug Kulturstätten haben. Mülheim und das Depot jedenfalls sollten unbedingt weiter erhalten bleiben, weil diese Spielstätte den Raum für ganz besonderes Theater bietet.«

Gitti Feierabend, Lehrerin und seit Jahrzehnten Abonnentin

Der Kulturstandort muss bleiben

»Ich arbeite normalerweise beim Fernsehen und fahre gern nach Mülheim, um meinen Horizont zu erweitern. Meistens mache ich das mit Karten aus dem Tanz-Abo. Das Schöne am Depot sind dabei nicht nur die Aufführungen, sondern die Atmosphäre drumherum. Es klingt vielleicht seltsam, aber dieses alte Industriegelände kommt mir nie wie Köln vor, sondern eher wie Shoreditch im Osten Londons. Und wenn das Theater wieder zurück in die Innenstadt zieht, ist mein Wunsch, dass zum einen ein bisschen dieser Stimmung mit rüberzieht und dass das Depot weiter ein Ort mit Gärten, Essen und Kunst bleibt. Und vielleicht sogar noch weiter wächst.«
Ralph Caspers, Moderator & Autor
»Dieser Ort hat nichts von einem Provisorium.«
Peter Pauls
Eva Eder & Norbert Böttges, Mitglieder des Deutschen Schwerhörigenbunds e.V.
»Wir beide sind schwerhörig. Die Hörhilfen haben ihre Grenzen und bisher war es für uns und viele andere mit ähnlichen Einschränkungen nicht möglich, die Vorstellungen im Schauspielhaus akustisch zu verstehen.
Da ist es einfach toll, dass wir jetzt mit einer neuen Hörtechnikanlage in Depot 1 und 2 erstmals wieder einer Theateraufführung folgen können. KÖNIG LEAR und DER EINGEBILDETE KRANKE – was für eine Freude, die Feinheiten der Inszenierung, die hintergründige Ironie und die grotesken Zuspitzungen!
Nebenbei haben wir den besonderen Charme der Spielstätten Depot 1 und 2 kennengelernt. Ab sofort gehören wir wieder zu den festen Besuchern des Kölner Schauspiels und hoffen, dass es so bleiben kann.«
Ronja Lilith Talloen, Mitglied bei Polylux • Peter Pauls, Journalist & ehem. Chefredakteur des Kölner Stadtanzeiger • Patrizia Kubanek, Aktivistin & Performerin • Nikla & Dhyan Borghoff, Premierenabonnent*innen
»Als hätte das Depot darauf gewartet, bespielt zum werden!«
Andreas Fischer
Gerhart Baum, ehem. Bundesminister & Kulturförderer
»In Mülheim hat sich gezeigt, was aus einem Provisorium gemacht werden kann: Spielstätten in einer attraktiven Garten- und Gastronomieumgebung, mitten auf dem Werksgelände einer traditionsreichen alten Kölner Produktionsfirma. Man fühlt sich wohl. Die Theaterräume, weit weg vom Gewohnten, haben Regisseure und Schauspieler inspiriert. Dazu interessante Wechselwirkungen mit einem lebendigen Stadtteil, ganz anders als am innerstädtischen Offenbachplatz. Viele überzeugende Inszenierungen zogen überregionales Publikum an – wie zuletzt Stefan Bachmanns ›Über- schreibung‹ von Molières DER EINGEBILDETE KRANKE. Ja, es schwingt Bedauern mit, diesen Ort zu verlassen. Es bleibt zu hoffen, dass etwas von der Carlswerk-Energie erhalten bleibt – vielleicht sogar als zusätzliche Spielstätte, aber auch am alten-neuen Ort.«
»Mit Birlikte, dem CARLsGARTEN und der Zusammenarbeit mit der IG Keupstraße hat sich das Schauspiel als Kulturstätte auf Augenhöhe perfekt in Köln-Mülheim integriert und etabliert. Nah bei den Menschen und nie elitär, hat sich der Standort auf dem Boden eines früheren Industriestandorts bewährt und bleibt auch in der Zukunft hier willkommen!«
Karl Lauterbach, Bundestagsabgeordneter für Mülheim
»Diese ganzen Erinnerungen hier sollten nicht verloren gehen.«
Erenay Gül
Konzeption: Ana Lukenda • Jana Lösch • Stephanie Michels • Fotoinstallation: Lucie Hedderich • Sound: Christopher Priebe • Videos: Paul Reinholz / Mütze Media