Oblomow revisited

Foto: Ana Lukenda
frei nach Iwan Gontscharows Roman OBLOMOW •
in einer Überschreibung von Nele Stuhler

Depot 1
Uraufführung:
11. November 2021
Trailer
Im November 2020 sorgte ein Videoclip der Bundesregierung für Aufsehen. Unter dem Hashtag #besonderehelden rief die Politik dazu auf, »faul wie Waschbären« zu sein und die »Couch zur Front« umzufunktionieren. Die Botschaft war klar: Heroisch ist, wer zu Hause bleibt. Geschmacklos oder lustiger Gag? Darüber diskutierte die Öffentlichkeit kontrovers. Das Narrativ der Nein-Sagenden, der Verweigernden oder Untätigen ist in der Literatur häufig anzutreffen, denkt man beispielsweise an Melvilles BARTLEBY, DER SCHREIBER, Thoreaus WALDEN oder Moshfeghs MEIN JAHR DER RUHE UND ENTSPANNUNG.
Auch Iwan Gontscharows Protagonist Oblomow bleibt zu Hause, versinkt im Schlafrock auf dem Diwan in Tagträumen und zeichnet sich durch Nichtstun aus. Der Landadelige nimmt an nichts Anteil. Während sein Gut verwahrlost und Schulden sich mehren, vermögen nicht einmal seine engsten Bekannten Stolz, Sachar oder Olga ihn zu motivieren. Eine ganze Lebenshaltung, die »Oblomowerei«, wurde nach Erscheinen des Romans 1859 zum Inbegriff des gelangweilten Müßiggangs. Nach dem Erfolgsstück EINES LANGEN TAGES REISE IN DIE NACHT kehrt Luk Perceval mit diesem Stoff nach Köln zurück, der in Zeiten des überschnellen Tempos durchaus eine neue Lesart bietet.

Das Team öffnet den Probenprozess für das Publikum und fügt durch einen Blog, einen Instagram-Account und einen Twitch-Kanal der analogen Bühnenversion eine digitale, multimediale Erzählung hinzu, die Erfolge und Hürden auf dem Weg zur Premiere sichtbar macht, die aufgrund aktueller Ereignisse im Rahmen der Proben etwas anders aussehen wird, als gewohnt. Hierzu möchte sich der Regisseur selbst an Sie wenden:

»Liebe Zuschauer*innen,

die Produktion OBLOMOW REVISITED ist eine neue, fruchtbare und gleichzeitig herausfordernde Auseinandersetzung mit dem Nichtstun. Wie stellt man Nichtstun szenisch auf der Bühne dar – in einem Theatersystem, das auf Unterhaltung ausgerichtet ist? Wie thematisiert man die positiven Seiten von Faulheit und Verweigerung in einer Gesellschaft, die auf leistungsorientierte Menschen setzt?

Die zentrale Figur verweigert sich diesem Druck und bleibt einfach zu Hause, um dort »nichts« zu tun. Statt dieses Thema mit einer Behauptung zu theatralisieren, statt so zu tun, als ob, haben wir versucht, uns wirklich mit dem Thema auseinander zu setzten, um zu erfahren, wo eine Verweigerung des Theatersystems hinführen würde.
Wie sie mitbekommen haben, begleiten wir unseren Arbeitsprozess multimedial, zeigen Erfolge und auch interne Krisen auf Instagram, einem Blog und auf dem Twitch-Kanal der Oblomow-Darstellerin Luana Velis. Ich möchte auch jetzt transparent mit Ihnen sein. Die Hauptdarstellerin verweigert seit einigen Tagen die Proben. Sie sieht es als künstlerisch konsequente Auseinandersetzung mit ihrer Rolle. Was das Endergebnis sein wird, wissen wir jetzt noch nicht, aber sicher ist, dass es nicht nichts sein wird. Ich hoffe auf Ihr Verständnis für dieses einmalige Experiment. Um diese szenische Abschlussveranstaltung einzuordnen, möchte ich Sie bitten, sich die digitalen Kanäle des Projekts anzusehen. Dort werden sie täglich über den aktuellen Stand informiert.

Luk P.«

Aus gegebenem Anlass also hat sich das Regieteam gemeinsam mit den Schauspieler*innen entschieden, statt einer regulären Premiere eine andere, neue hybride Form der Präsentation zu finden. Zu dieser möchten wir Sie nun herzlich einladen. Der Abend beginnt am Donnerstag, den 11.11. wie gewohnt um 19.30 Uhr im Depot 1. Im Rahmen dessen erwarten wir Sie im Foyer mit einer kleinen kulinarischen Überraschung.
Kostüme: Ilse Vandenbussche
Licht: Jan Steinfatt
Video: Krzysztof Honowski
Videoassistenz: Luis Neuenhofer
Interaktives Storytelling: Roman Senkl
Dramaturgie: Lea Goebel
Medienpartner*innen
Pressestimmen
»Genauso gut wie auf Oblomowa könnte die Inszenierung aber auch auf den Staat zielen, der seine Kulturschaffenden während der Corona-Krise mehr oder weniger sich selbst überlässt und sich, bis auf einen knapp bemessenen Kulturfonds, aus der Affäre zieht. So zumindest klingt es in "Oblomow revisited" mehr als einmal an. Aus der Not pandemiebedingt geschlossener Theater wurde am Schauspiel Köln allerdings eine Tugend gemacht, wurden neue Konzepte ausprobiert. Diese Experimente werden weitergeführt, obwohl das Theater wieder analog spielen darf.«
»Mit den Mitteln des Theaters wird in Köln der Zauber des Theaters dokumentiert. Die Kunst kann davon profitieren, wer sich auf das Spiel einlässt, auch.«
»Perceval glaubt, dass es notwendig ist, das Theater wieder interessant zu machen für Theaterentwöhnte. Er will sie zurückholen ins Parkett, was seiner Ansicht nach gelingt, indem man den Betrieb transparenter macht. […] In Percevals Vorstoss steckt der Wille, Theater demokratischer zu gestalten. Dabei ist es für das Publikum nicht damit getan, nur stumm zuzusehen. Vielmehr kann es sich via Internet an dem Prozess beteiligen.«
Neue Züricher Zeitung