Alles auf Anfang

Gastspiel
Es ist ein Missverständnis, Erinnern als eine Rückwärtsbewegung zu verstehen. Und niemand ist so gut darin, diesem Missverständnis in zuverlässiger Regelmäßigkeit aufzusitzen wie die Deutschen mit ihrem Selbstverständnis, Erinnerungs- und Aufarbeitungsweltmeister zu sein. Denn wie kann es sein, dass Rechtspopulisten Wahlen gewinnen, rechtsextremistische Straftaten unzureichend aufgeklärt werden und »Nie wieder ist jetzt« zu einer Phrase verkommt? Und wie kann es sein, dass ein Land, dessen Realität schon lange migrantisch geprägt ist, diese Realität und alle, die ihr zustimmen, lieber in Frage stellt, als tatsächliche Antworten auf die brennenden Fragen der Zeit zu finden, nämlich, wie sich gesellschaftliches Zusammenleben gerecht, human und demokratisch gestalten lässt? Die beiden Autoren Max Czollek und Hadija Haruna-Oelker meinen, dass das auch an einer gescheiterten deutschen Erinnerungskultur liegt. Gemeinsam denken sie über eine neue Praxis nach, die die Gegenwart so einrichtet, dass sich die Vergangenheit tatsächlich nicht wiederholt. Und darüber, dass diese Praxis widerständig und verbindend zugleich sein müsste. In Anlehnung an ihren seit 2023 bestehenden Podcast „Trauer und Turnschuh“ haben Czollek und Haruna-Oelker ein scharfsinniges, streitbares sowie energiegeladenes Buch in Form eines Briefwechsels geschrieben, dass sie in einer Lesung plus Podiumsgespräch vorstellen.